Neuer Gerichtseingang an der Bäumleingasse: Clauss Merz gewinnen dank «sanfter Störung» - ArchitekturBasel

2022-08-31 08:49:54 By : Mr. Yuebin Zhang

Es gibt grosse, spektakuläre Wettbewerbe und es gibt kleine, feine. Der “anonyme Projektwettbewerb” für die Gestaltung des neuen Haupteingangs für die Gerichtsbauten an der Bäumleingasse gehört definitiv zur zweiten Kategorie. Es ist der traditionelle Gerichtsstandort unserer Stadt. In den Jahren 1857–1859 erstellte der bedeutende Basler Architekt Johann Jakob Stehlin d. J. an der Bäum leingasse 3 einen ersten Gerichtsbau. Das Wettbewerbsprogramm war knapp gefasst – und dennoch anspruchsvoll: Im Zuge der Sanierung der historischen Gerichtsgebäude an der Bäumleingasse in Basel wird für die Erfüllung der zeitgemässen Bedürfnisse an Sicherheit und hindernisfreier Erschliessung der öffentlichen Bauten ein neuer Haupteingang geplant. Wie ist dieser neue Hauseingang in den Kontext der historischen Fassadenabwicklung mit den bestehenden Zugängen einzubinden? Wie begegnet man dem Anspruch der Öffentlichkeit auf einen gut erkennbaren und wirkungsvollen Auftakt des Gerichtsgebäudes? Acht Architekturbüros durften sich dieser «kleinen, aber doch sehr relevanten Entwurfsaufgabe» stellen. Die Auswahl der eingeladenen Büros ist (zumindest durch die Basler Brille betrachtet) diskussionswürdig: Wie fanden Wespi de Meuron Romeo den Weg aus dem Tessin nach Basel? Und weshalb erschienen MSA Meletta Strebel Architekten besonders prädestiniert für diese Aufgabe? Der Sieg blieb letztlich am Rheinknie: Clauss Merz gewannen dank einem äusserst subtilen, fast schon chrirurgischen Eingriff. Ein Stein wird gekonnt eingefügt. Die grosse Geste wird verneint; dafür eine «sanfte Störung» geschaffen. Wir gratulieren.

Die folgenden Projektbeschriebe der beiden rangierten Projekte stammen aus dem Jurybericht:

© Marco Merz Marion Clauss, Basel

Beim Projekt HILDA handelt es sich um einen sehr interessanten Beitrag, der aufgrund seiner Asymmetrie auf den ersten Blick verwundert. Bei genauerer Studie des Projektvorschlags zeigt sich jedoch eine wohlüberlegte Setzung des neuen Eingangs. Die Asymmetrie wird laut Projektbeschrieb als «sanfte Störung» zur Betonung des «zeitgemässen » neuen Bausteins eingesetzt. Im Kontext der gesamten Fassadenabwicklung ist die Gestaltung nicht nur nachvollziehbar, sondern auch überzeugend. Der neue Eingang ist zum Innenraum mittig gesetzt, in der Fassade jedoch deutlich nach links gerückt. Über der aus Eichenholz geplanten Sprossentür mit Glaseinsätzen kragt ein Vordach aus Naturstein aus, welches die Profilierung der gegenüberliegenden Gesimse spiegelt. Die Konstruktion soll über eine seitlich der Tür gesetzte, leicht zurückspringende Stütze gelöst werden. Vor dem Eingang werden Natursteinstreifen wie «eine Art Teppich» vor der Tür «ausgerollt» und bündig mit dem angrenzenden Pflaster verlegt, um den Eingang auch im Bodenbelag zu betonen. Hier wäre die Wahl der Materialien und der Ausführung zu prüfen. Das Logenfenster soll vom Gitter befreit und durch eine einfache Verglasung ohne Sprossen neu ausgeführt werden. Dieser Vorschlag erscheint wenig nachvollziehbar. Die Ausführung des Innenraumes ist nur textlich als «einfach und schlicht ausgekleidet» beschrieben, wird jedoch nicht gezeigt. Eine «Verunklärung» mit dem historischen Bestand soll vermieden werden. Insgesamt zeugt der Beitrag von einem hohen Mass an Sensibilität und einer intensiven Auseinandersetzung mit dem historischen Bestand.

© Caruso St John Architects, Zürich

Der Entwurfsansatz überzeugt mit einer umfassend ausgearbeiteten Eingangslösung, welche nebst dem direkten Gebäudezugang auch eine entsprechend abgestimmte, innere Raumgestaltung vorsieht. Hieraus entsteht eine stimmungsvolle Eintrittszone, die den öffentlichen Charakter des Gebäudes in repräsentativer Weise zu formulieren vermag. Die Folge der beiden zueinander gedrehten Zugangsräume von der Fassade bis zur Vertikalverteilung dient als Basis für eine mäandrierende Wandverkleidung in Eichenholz. Verschieden ondulierte Stäbe werden vertikal geschichtet aufgereiht und erzeugen eine fliessende Kontur. Die gewandartige Artikulation kulminiert sich aus dem Innenraum heraus in der Ausformulierung zweier axialsymmetrisch gesetzter Säulenpaare, welche die neue Türöffnung flankieren. Ergänzend wird der Türflügel ebenfalls organisch geformt und zusammen mit den Pilastern homogen mit Baubronze überzogen. Die Gefällsituation der Strasse wird mit einem kunstvoll ausgeschliffenen Schwellenstein gelöst, der die Anmutung eines im Gebrauch abgenutzten Podeststeins aufweisen soll. In gleicher Grösse wird ein Vordach formuliert, das aus addierten Messingstäben gefügt und zwischen Pilaster und Sockelgesims eingespannt wird. Der symmetrisch gestaltete Zugang steht in Analogie zu den beiden Portalen von Haupt- und Ergänzungsbau und versucht in elaborierter Noblesse die Neuordnung der Zutrittshierarchie zu justieren. In Abweichung zu den jeweils zentrierten Setzungen der Portale befindet sich der neue Zugang im rückversetzten Seitenteil des Ergänzungsbaus. In der edlen Materialisierung, bei Verwendung gleichartiger Portalmotive, wirkt der neue Eingriff besonders im Bezug zu den steinernen Bestandesportalen letztlich überzeichnet und lässt diesen im historischen Kontext zeitlich und dadurch zu aufgesetzt wirken.

© Karamuk Kuo Architekten, Zürich

© Wespi de Meuron Romeo Architekten, Caviano

© MSA Meletta Strebel Architekten, Zürich

© Angela Deuber Architects, Zürich

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